Ein Krieg mit vielen Strippenziehern: Vortrag und Diskussion zur Krisenregion Naher Osten mit Clemens Ronnefeldt im KOM

Clemens Ronnefeldt

12. Dezember 2015

Um die Krisenregion Naher Osten und die Verantwortung der westlichen Welt ging es kürzlich bei einem Vortragsabend der SPD Olching im KOM. Eingeladen war der Friedensreferent des christlich-pazifistischen Internationalen Versöhnungsbundes, Clemens Ronnefeldt, der seit 1990 Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Irak, Iran, Syrien, Libanon, Israel, Palästina, Jordanien und Ägypten besucht und unterstützt. Der Referent präsentierte eine kompakte Zusammenfassung der vertrackten und vielschichtigen Hintergründe der Auseinandersetzungen und plädiert für eine nichtmilitärische Strategie als Lösungsansatz. Ungeteilte Zustimmung fand sein Fazit nicht.

Die SPD Fraktionsvorsitzende Marina Freudenstein begrüßte den Referenten und die etwa 40 Besucher. Nach den Terroranschlägen von Paris sei es nicht einfach, die Frage nach der Verantwortung des Westens für die eskalierte Situation in Syrien, Irak und Afghanistan und dem sich daraus entwickelten dschihadistischem internationalen Terror zu stellen. Verantwortlich für diesen Terror seien allein die Terroristen und deren Hintermänner stellt Freudenstein klar. Ronnefeldt zeigt auf, wie komplex die Situation, wie viele Interessengruppen versuchen, Einfluss zu nehmen und wie dramatisch die derzeitige Lage ist. In seinem Vortrag spannt er einen großen historischen Bogen. Afghanistan betreffend zeigt er auf, dass es bereits Monate vor dem sowjetischen Einmarsch im Dezember 1979 eine verdeckte amerikanische Unterstützung der regierungsoppositionellen und fundamental-islamischen Mudschaheddin gegeben hat. Dadurch wurde die Gefahr einer sowjetischen Intervention bewusst in Kauf genommen, wodurch wiederum die USA zum Geburtshelfer der radikalen Taliban und von Al Qaida geworden sind mit der Folge eines bis heute andauernden Bürgerkrieges und einer Destabilisierung der gesamten Region. Auch für den Krieg im heutigen Syrien gibt es eine lange Kette sehr unterschiedlicher europäischer und russischer Interessen, die die aktuelle Situation zumindest indirekt stark beeinflusst haben. Rund 400 Jahre war Syrien Teil des osmanischen Reichs, bis dieses mit dem 1. Weltkrieg zerfiel. Frankreich und Großbritannien teilten noch während des 1. Weltkrieges den gesamten vorderen Orient unter sich auf. Syrien wurde bis zur Unabhängigkeit 1943 französisches Mandatsgebiet. Die damaligen Grenzziehungen mit dem Lineal berücksichtigten vor allem die politischen, geo-strategischen und wirtschaftlichen Interessen Frankreichs und Großbritanniens und wirken spannungsreich bis heute nach. "Die arabische Bevölkerung wurde mit ihren Interessen nicht berücksichtigt", so der Referent. Mit dem Machtantritt nach einem Putsch von Hafiz al-Assad, begann in Syrien 1970 die Herrschaft der Familie Assad. Weil diese zur Minderheit der Alawiten zählt - einer Abspaltung der schiitischen Glaubensrichtung -, achteten Vater und Sohn Assad strikt darauf, das Land säkular zu verwalten und bekämpften die sunnitische Muslimbruderschaft. 1982 richtete Hafiz al-Assad in der Hochburg der Muslimbrüder in Hama ein Massaker an, dessen Folgen bis heute im aktuellen Krieg nachwirken. Clemens Ronnefeldt machte deutlich, dass zu Beginn des Jahres 2011 nach anfänglich gewaltfreien Protesten für mehr Demokratie die Bürgerbewegung sehr bald von ausländischen Kräften massiv militarisiert wurde. Katar und Saudi-Arabien bezahlten Tausende Kämpfer aus rund 40 verschiedenen Staaten, darunter auch mehrere hundert Deutsche, die in verschiedenen Gruppierungen Krieg gegen die Regierungstruppen Assads führen. Unterstützt werden die Rebellen auch von der Türkei und einigen westlichen Staaten, darunter die USA, Frankreich und Großbritannien, die mit Bashar al-Assad den wichtigsten Verbündeten Irans stürzen wollten, um damit auch die Regierung in Teheran zu schwächen. Diese wiederum unterstützt die schiitische Hisbollah im Libanon, wobei Syrien die Waffen aus Iran in den Libanon passieren lässt. Dadurch übt Syrien Druck auf Israel aus und fordert die Rückgabe der von Israel annektierten Golanhöhen, die völkerrechtlich zu Syrien gehören. Russland unterhält im syrischen Tartus den einzigen Mittelmeerhafen, der von russischen Kriegsschiffen angelaufen werden kann - und unterstützt daher die Assad-Regierung. Da Katar eine Erdgasleitung durch Syrien legen wollte, die dem russischem Gas Konkurrenz in Europa hätte machen können, versucht entsprechend Katar die syrische Regierung zu stürzen, nachdem die Pipeline-Verhandlungen kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 gescheitert waren. Inzwischen ist eine Pattsituation eingetreten, in der weite Teile des Landes von unterschiedlichsten Milizen und Rebellengruppen und nur noch etwa ein Drittel des Landes von der syrischen Regierung kontrolliert werden, erläuterte der Referent - und ergänzte: "Nachdem Syrien seit Jahren vor allem auf die militärische und wirtschaftliche Unterstützung aus Russland zählen konnte, halten inzwischen auch viele westliche Staaten die säkulare Regierung Assad für das kleinere Übel gegenüber Al-Nusra-Front, Al-Qaida-Kämpfern oder den Milizen des sog. 'Islamischen Staates'". Am Beginn einer Deeskalation stünde, den Nachschubs von Waffen und Kämpfern für beide Seiten zu stoppen und einen Waffenstillstand zu verhandeln. UN-Blauhelme könnten dann diesen überwachen und entmilitarisierte Gebiete entstehen lassen. In diesen Zonen könnten internationale Hilfsorganisationen die Menschen versorgen. "Notwendig sind auch nationale Dialogforen, um einen Versöhnungsprozess der rivalisierenden Gruppen einzuleiten und ein endgültiges Auseinanderfallen des Staates zu verhindern", so der Referent, der sich für ein striktes Verbot von Rüstungsexporten in die Spannungsregion aussprach. Im Jahre 2011 moderierte der Referent eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit mit Teilnehmenden aus Israel, Palästina, Türkei, Syrien, Iran, Irak, Jordanien und Ägypten. "Eine solche Konferenz auf Regierungsebene ist seit Jahren überfällig - dass sie grundsätzlich möglich ist, haben wir auf der Nichtregierungsebene bereits gezeigt", sagte Clemens Ronnefeldt. Der Konflikt könne militärisch nicht gelöst werden, davon ist Ronnefeldt überzeugt. Pazifismus habe nichts mit Passivität, Gleichgültigkeit oder Wegschauen zu tun. Der Begriff setze sich aus den beiden lateinischen Worten "Pax" (Friede) und "facere" (machen) zusammen. Der SPD Vorsitzende Uli Steck dankte im Anschluss an eine lebhafte und auch kontroverse Diskussion dem Referenten für seine Ausführungen und wünscht ihm weiterhin viel Erfolg bei seinem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten.

Marina Freudenstein

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